Erfahrungen aus einer ambulanten Praxis
MUDr. Vojtech Machycek
Diabetologische und Interne Ambulanz
Praha 6
Kommen wir in der Zukunft ohne tierische Insuline aus?
Durch die höhere Erreichbarkeit humaner Insuline kam es in letzten Jahren zur Anwendung dieser Therapie praktisch bei allen Diabetikern, die Insulin zur guten Einstellung ihres Diabetes benötigen. Nur zur Erinnerung: Humaninsuline haben identische Aminosäurensequenz wie das menschliche Insulin, Schweineinsulin unterscheidet sich in einer Aminosäure, während das tierische Insulin aus Rind sich in drei Aminosäuren unterscheidet. Nach der Produktionseinstellung der klassischen Reihe tierischer Mono Insuline blieb auf unserem Markt nur Humaninsulin übrig. Trotzdem musste ich bei zwei meiner Patienten zu tierischem Insulin zurückkehren, da sie Humaninsulin nicht vertragen.
Beide Patienten werden erfolgreich mit tierischem Schweineinsulin aus dem Ausland behandelt, da um das Rinderinsulin, das auf unserem Markt erreichbar wäre, Unklarheiten herrschen, so dass ich selbst dagegen nicht vorbehaltlos bin. Meine übrigen Patienten werden mit Humaninsulin behandelt und sind vollkommen ohne Probleme. Auf der Suche nach Ursachen der Humaninsulinunverträglichkeit fand ich in Fachzeitschriften genügend Artikel, die bestätigen, dass solche Fälle im begrenzten Maß vorkommen.
Erfahrung aus dem Exil
Bei dem Patienten M.M., geboren im Jahre 1935, wurde Diabetes mellitus im Jahre 1947 festgestellt. Er wurde mit tierischem Insulin der Firma Novo Nordisk behandelt und im Jahre 1952 auf tierisches Insulin von Spofa umgestellt. Nach Verlassen der Tschechoslowakei wurde er in England auf 40 I.U./ml Rinderinsulin der Firma Wellcome umgestellt. Der Blutzucker des Patienten war gut eingestellt und auch subjektiv war er zufrieden.
Im Jahre 1981 begann ihn Dr. Brooks in einem Krankenhaus in Winchester auf 100 I.U./ml Humaninsulin von Novo Nordisk umzustellen. Die ersten drei Tage schien die Einstellung erfolgreich zu sein. Am vierten Tag kam es zu Komplikationen, indem das Insulin aufhörte zu wirken und der Blutzucker erreichte einen Wert von 28 mmol/l. In der Nacht kam es zur Freisetzung der gesamten Ladung und es kam zu einer plötzlichen, schweren Hypoglyckämie. Der Patient wurde deshalb auf tierisches 40 I.U.ml Insulin von Wellcome zurückgestellt.
Nach kurzer Zeit hat der Arzt erneut eine Umstellung auf Humaninsulin versucht, und zwar auf 40 I.U.ml Humaninsulin von Novo Nordisk. Die gleichen Schwierigkeiten stellten sich ein. Die Kontrolle der Blutzuckerwerte war praktisch unmöglich. Patient wurde definitiv auf 40 I.U./ml tierisches Insulin von Wellcome zurückgebracht. Nach der Einstellung der Insulinproduktion bei Wellcome wurde der Patient auf 40 I.U.ml tierisches Insulin von Hoechst umgestellt. Diese Therapie hatte der englische Ober-Diabetologe, Prof. Keen empfohlen. Ab 1990 wurde der Patient mit tierischem Insulin von Léciva behandelt, bis Mitte 2001 erklärt wurde, dass auch in der Tschechischen Republik die Produktion dieses Insulins eingestellt wird. Der Patient brachte selbst in Erfahrung, wo tierisches Schweineinsulin produziert wird, erreichte seine Beschaffung und begann es anzuwenden. Die Therapie brachte keine Probleme.
Auch psychische Schwierigkeiten
Anderer Patient, S.Z., geb. 1927, kam zuerst in die diabetologische Beratungsstelle in Praha 6 am 26.Januar 1990. Bis 27. Januar 1998 wurde er mit peroralen Antidiabetika behandelt. Am nächsten Tag wurde wegen schlechter Einstellung Mono ID Insulin eingesetzt. Im März 1998 wurde er wegen verschlechterter Einstellung auf die Humaninsuline Actrapid HM und Insulatard HM und intensivierte Therapie umgestellt.
Die Behandlung musste wegen Hautallergie und großer Schwankungen der Blutzuckerwerte ausgesetzt werden. Der Patient benutzte dann Mono ID Insulin bis September 2001. Die Krankheit konnte erfolgreich stabilisiert werden. Die Blutzuckerwerte waren ungefähr 5,8 mmol/l und HbA1C 7,6%.
Wegen der Produktionseinstellung des tierischen Insulins wurde der Patient auf Humaninsuline Humulin R und Humulin N umgestellt. Es wurde also Humaninsulin eines anderen Herstellers gewählt. Sofort nach Anwendung fing der Diabetes instabil zu werden. Hohe Blutzuckerwerte wechselten mit niedrigen. Zudem fing der Patient an, psychische Probleme zu beobachten, hauptsächlich Weinerlichkeit und Reizbarkeit. Er bekam ein Medikament zum Abschaffen der psychischen Probleme, der Effekt stellte sich jedoch nicht ein. Ohne einen Effekt blieben auch die Konsultationen in der Psychiatrie. Deshalb wurde dem Patienten ab Oktober 2001 weitere, bei uns erreichbare Humaninsuline Insuman Rapid OptiPen und Insuman Basal OptiPen verordnet. Die Schwierigkeiten hörten jedoch nicht auf und der Hang zu plötzlichen Hypoglykämien und auch die psychischen Probleme blieben.
Am 18. Dezember 2001 wurde der Patient zurück auf tierisches Insulin umgestellt. Alle Probleme sind während zwei Tagen verschwunden. Nach Absprache mit der Ehefrau des Patienten wurden ihr Rezepte für dieses tierische Mono Insulin ausgehändigt, damit sie versucht, es für den Patienten außerhalb von Prag zu beschaffen. Später wurde der Patient auf ein anderes tierisches Insulin umgestellt, das ihm seine Verwandten im Ausland beschafft haben.
Nach den Ergebnissen und Erfahrungen kann eindeutig bewiesen werden, dass es auch im Falle dieses Patienten einen einzigen Weg zur Erreichung befriedigender Blutzuckereinstellung und Lebensqualität gibt, und zwar die Anwendung tierischer Insuline.
Patientenverbände
Anfangs, bei erster Begegnung mit der Unverträglichkeit von Humaninsulin, hat mich sehr der Grund dieses Phänomens interessiert. Es wäre doch logischer, wenn diese Reaktionen bei Insulin mit einer anderen Aminosäurenzusammensetzung in Erscheinung träten. Humaninsuline sind identisch mit menschlichem Insulin, und doch können sie Probleme verursachen.
Ängste vor der Wirkung der Humaninsuline verbreiten sich am meisten in England. Auch in Kanada wurden 121 Fälle extremer, durch Humaninsulin verursachter Hypoglykämien registriert und das amerikanische Amt US Food and Drug Administration führt auf, dass es tausende ähnlicher Nachrichten erhalten hat. Es entstehen Patientenverbände, die die Erneuerung der Produktion tierischer Insuline in England verlangen. An deren Seite stehen auch viele englische Diabetologen. Die letzte Firma in England, die tierisches Rinderinsulin produziert, ist CP Pharma. Insulin dieser Firma ist auch bei uns registriert.
In vielen Fällen ist die Diabeteseinstellung mit Humaninsulinen problemlos. Aber, wie die Geschichten zweier meiner Patienten zeigen, ist bei manchen Diabetikern eine Einstellung nur mit tierischen Insulinen möglich. Die Schwierigkeiten des Patienten oder seine schlechte Einstellung muss jedoch nicht immer durch ungeeignete Strategie der Therapie verursacht werden, aber auch nicht durch non-compliance des Patienten. Der Fehler kann auch im Präparat liegen.
MUDr. Vojtech Machycek
Diabetologische und Interne Ambulanz
Praha 6